Das chinesische Handelsministerium nimmt Hinweise auf geschönte Absatzzahlen bei großen Autoherstellern ernst. Erste Hersteller geraten unter Druck – und Brancheninsider schlagen Alarm.
Zweifel an der offiziellen Erfolgsstory
Die Zahlen sahen bislang eindrucksvoll aus: Chinas Autoindustrie meldete wachsende Absätze, insbesondere im E-Auto-Bereich. Doch hinter der Fassade brodelt es. Insider werfen großen Herstellern vor, ihre Verkaufszahlen systematisch zu frisieren – und die Regierung schaut nun genauer hin.
Laut mehreren Berichten, darunter von Reuters und Bloomberg, hat das chinesische Handelsministerium eine Untersuchung wegen potenzieller Bilanztricks eingeleitet. Im Raum steht der Verdacht, dass einige Hersteller Fahrzeuge lediglich umlagern, aber dennoch als verkauft ausweisen – etwa durch Weitergabe an Zwischenhändler oder über Finanzierungsplattformen in der Lieferkette.
„Evergrande gibt’s schon in der Autoindustrie“
Brisant wird der Fall durch Äußerungen von Wei Jianjun, CEO von Great Wall Motors (GWM). In einem Interview mit „Sina Finance“ sprach er von einer „ungesunden Entwicklung“ in der Branche – und zog sogar eine Parallele zur Insolvenz des Immobilienkonzerns Evergrande.
„Evergrande existiert schon in der Autoindustrie – es ist nur noch nicht zusammengebrochen“, sagte Wei – und kritisierte damit offen eine Praxis, die in der Branche offenbar längst kein Geheimnis mehr ist.
Rabattschlacht ohne echten Absatz
Besonders die Preispolitik wirft Fragen auf: BYD, einer der größten Hersteller im Land, bietet sein Einstiegsmodell Seagull für umgerechnet nur 6820 Euro an. Trotzdem stauen sich laut Medienberichten die Fahrzeuge in den Lagern – die Nachfrage wächst nicht im selben Tempo wie das Angebot.
Händler klagen über überfüllte Höfe, während tausende Fahrzeuge mit null Kilometern Laufleistung auf Gebrauchtwagenplattformen auftauchen – Fahrzeuge, die offiziell bereits als verkauft gelten. Ein Trick, der Buchwert erzeugt, aber keine reale Kundennachfrage widerspiegelt.
Händler und Wissenschaftler warnen
Li Yanwei von der China Automobile Dealers Association fordert nun ein Eingreifen der Behörden. Er berichtet, dass bis zu 4000 Händler landesweit solche „verkauften Neuwagen“ listen – Fahrzeuge, die nie auf der Straße waren.
Auch Professor Zhu Xican von der Tongji-Universität warnt: Junge Hersteller ohne stabile Verkaufsbasis müssten fusionieren, kooperieren oder verschwinden. Der Markt sei zu groß und zu aufgebläht für langfristige Stabilität.
Verkaufszahlen mit Schönheitsfehlern?
Das Grundproblem liegt laut Experten darin, dass in China keine klare Regelung existiert, wann ein Fahrzeug als verkauft gilt. Während in Europa der Verkauf an den Endkunden zählt, reicht in China offenbar oft schon die interne Umlagerung an Händler – selbst wenn das Auto dort ungenutzt bleibt.
Diese Intransparenz verschleiert den wahren Zustand der Branche. Das Handelsministerium und die chinesische Börsenaufsicht sollen nun für mehr Klarheit und Kontrolle sorgen.
Fazit: Der Lack beginnt zu bröckeln
Was einst als glänzende Zukunftsvision der chinesischen Autoindustrie galt, bekommt nun erste Kratzer. Die anstehende Untersuchung könnte nicht nur das Vertrauen der Investoren, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Branche nachhaltig erschüttern. Ein Skandal ist noch nicht ausgebrochen – aber die ersten Alarmsignale sind unüberhörbar.