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Deutsche Autoindustrie streicht über 50.000 Stellen – droht jetzt die Deindustrialisierung?

Die Krise der deutschen Industrie verschärft sich: Besonders die Autobranche steht massiv unter Druck. Laut einer aktuellen Analyse der Beratungsgesellschaft EY sind in den vergangenen zwölf Monaten allein in der deutschen Automobilindustrie netto rund 51.500 Arbeitsplätze verloren gegangen – ein Rückgang von fast sieben Prozent. Keine andere Industriebranche ist so stark betroffen.

Gesamtbild: 114.000 Jobs in der Industrie weg

Insgesamt wurden zwischen Mitte 2024 und Mitte 2025 in der deutschen Industrie rund 114.000 Stellen gestrichen. Damit sank die Zahl der Industriebeschäftigten auf 5,42 Millionen Menschen – 2,1 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Verglichen mit 2019, also noch vor der Corona-Pandemie, ergibt sich sogar ein Minus von 245.000 Stellen oder 4,3 Prozent.

Parallel schrumpfen auch die Umsätze: Im zweiten Quartal 2025 verbuchte die Industrie das achte Minus in Folge. Insgesamt ging der Umsatz um 2,1 Prozent zurück, in der Autobranche um 1,6 Prozent. Lediglich die Elektroindustrie konnte ein leichtes Plus verzeichnen.

Autobauer zwischen Absatzkrise und E-Mobilität

Besonders hart trifft es die deutschen Autobauer. Sie kämpfen mit einer schwächelnden Nachfrage, schärferer Konkurrenz aus China und den enormen Kosten der Umstellung auf Elektromobilität.

Hersteller wie Mercedes-Benz, Volkswagen, Bosch, Continental und ZF haben bereits Sparprogramme angekündigt, während Porsche seine Batterietochter Cellforce weitgehend einstellen will.

„Massive Gewinneinbrüche, Überkapazitäten und schwächelnde Auslandsmärkte machen einen deutlichen Stellenabbau unumgänglich – gerade in Deutschland, wo Management-, Verwaltungs- und F&E-Funktionen angesiedelt sind“, sagt Jan Brorhilker, Managing Partner bei EY.

Exporte brechen weg – Zölle und China belasten

Neben hohen Energiekosten, Bürokratie und einer schwachen Binnenkonjunktur trifft die deutsche Industrie vor allem die schwierige Lage im Auslandsgeschäft.

Der Zollstreit mit den USA hat die Exporte in den wichtigen Markt empfindlich getroffen. Unter Präsident Donald Trump verhängte Zölle verteuern deutsche Produkte erheblich. Zwar versucht die EU nachzuverhandeln, doch ein spürbarer Effekt steht aus.

Auch China, lange einer der größten Hoffnungsträger für die Branche, schwächelt. Dort verlieren deutsche Hersteller Marktanteile an heimische Anbieter, die mit günstigen Preisen und technologisch konkurrenzfähigen E-Autos punkten.

Nicht nur die Autoindustrie betroffen

Die Krise zieht Kreise: Im Maschinenbau gingen rund 17.000 Stellen verloren, in der Metallerzeugung etwa 12.000. Stabiler zeigen sich hingegen Chemie- und Pharmakonzerne, die kaum Jobs abbauten.

Sorge um Fachkräfte und junge Absolventen

Besonders alarmierend: Auch hochqualifizierte Jobs sind betroffen. Brorhilker rechnet damit, dass sich der Abwärtstrend bei den Industriejobs fortsetzen wird, weil viele Sparprogramme erst mit Verzögerung in den Statistiken auftauchen. „Die Automobilindustrie und der Maschinenbau stellen heute deutlich weniger junge Menschen ein als in den vergangenen Jahren“, so der EY-Experte.

Für Schulabgänger und Hochschulabsolventen bedeutet das: Weniger Chancen, mehr Konkurrenz – selbst in Berufen, die lange als krisensicher galten. „Wir werden eine steigende Arbeitslosigkeit bei Hochschulabsolventen sehen – etwas, was es in Deutschland lange nicht gab.“

Droht die Deindustrialisierung?

Die aktuellen Zahlen haben eine neue Debatte über die Zukunft des Industriestandorts Deutschland entfacht. Kritiker sprechen offen von einer drohenden „Deindustrialisierung“.

Zwar liegt die Zahl der Industriebeschäftigten noch immer höher als 2014 – damals arbeiteten 185.000 Menschen weniger in der Branche. Doch der Abwärtstrend der letzten Jahre ist deutlich, und die Stimmung in den Unternehmen zunehmend angespannt.

Die kommenden Monate dürften zeigen, ob es sich um eine vorübergehende Krise handelt – oder ob die deutsche Industrie dauerhaft Arbeitsplätze verliert.

Für die Autoindustrie jedenfalls ist klar: Zwischen Absatzproblemen, politischem Druck und globaler Konkurrenz wird der Standort Deutschland weiter auf die Probe gestellt.

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