Tim

Mercedes-Benz C 111: Das orangefarbene Experiment, das zur Legende wurde

Es war Ende der 1960er-Jahre, als Mercedes-Benz die Automobilwelt mit einem Auto überraschte, das so futuristisch aussah, dass viele es für den nächsten Supersportwagen aus Stuttgart hielten.

Von Wladyslaw, CC BY-SA 2.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11836102

Der Mercedes-Benz C 111 war jedoch nie für die Straße gedacht – sondern als rollendes Labor, als Versuchsträger für neue Motoren, Materialien und aerodynamische Konzepte. Und dennoch gilt er heute als eine der faszinierendsten Studien der Automobilgeschichte.

Ein Traum in Orange mit Flügeltüren

1969 präsentierte Mercedes auf der IAA in Frankfurt den ersten C 111. Schon seine Form sorgte für Schlagzeilen: Flügeltüren wie beim legendären 300 SL, Klappscheinwerfer und eine flache, keilförmige Silhouette.

Die Karosserie bestand nicht aus Stahl, sondern aus glasfaserverstärktem Kunststoff – eine Sensation für die damalige Zeit.

Unter der Haube arbeitete zunächst ein Dreischeiben-Wankelmotor. Mercedes wollte den damals hochgelobten Kreiskolbenmotor zur Serienreife bringen und setzte auf futuristische Technik.

Die Fachpresse spekulierte sofort über eine mögliche Serienfertigung, Käufer schickten sogar Blankoschecks nach Untertürkheim. Doch die Realität sah anders aus: Die Motoren litten unter Haltbarkeitsproblemen, und auch die Qualität der Kunststoffkarosserien ließ zu wünschen übrig.

Von Bergfalke2 – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5792255

Der C 111-II – stärker, schöner, schneller

Nur ein Jahr später legte Mercedes nach: Der C 111-II, vorgestellt 1970 in Genf, wirkte deutlich ausgereifter. Mit neu gezeichneter Karosserie, besserer Aerodynamik und einem vierrotorigen Wankelmotor mit 350 PS erreichte er beeindruckende 290 km/h.

Damit bewegte er sich auf Augenhöhe mit den schnellsten Supersportwagen seiner Zeit.

Doch trotz der Euphorie zog Mercedes die Notbremse. Die Ölkrise 1973 und die Zweifel an der Alltagstauglichkeit des Wankels sorgten dafür, dass der C 111 nicht in Serie ging. Stattdessen nutzten die Ingenieure den Wagen, um eine andere Technik voranzutreiben: den Diesel.

Rekordjagd in Nardò – Diesel wird zur Sensation

Mit einem Fünfzylinder-Turbodiesel im Heck verwandelte sich der C 111-II in einen Rekordjäger. 1976 schrieb er in Nardò Automobilgeschichte: 10.000 Meilen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 252 km/h – Weltrekord für Dieselfahrzeuge!

Die Weiterentwicklung C 111-III zeigte, wie ernst Mercedes dieses Kapitel nahm. Mit extrem windschnittiger Karosserie (cW-Wert 0,183) und einem weiter aufgeladenen Diesel knackte der Wagen 1978 die Marke von 320 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit – für ein Dieselfahrzeug damals undenkbar.

Der C 111-IV – über 400 km/h

Von Lutz H – de, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11795712

Den krönenden Abschluss bildete 1979 der C 111-IV. Nun arbeitete kein Diesel mehr im Heck, sondern ein doppelt aufgeladener V8-Benziner mit 500 PS.

Auf der Teststrecke in Nardò erreichte der Wagen 403,978 km/h – und stellte damit den Rundstreckenrekord seiner Zeit auf.

Von der Legende zur Inspiration

Der C 111 blieb immer ein Experiment, eine Mischung aus Traumwagen und rollendem Labor. Serienfertigung? Fehlanzeige. Doch die Technologie, die in ihm getestet wurde, fand später ihren Weg in andere Modelle.

Und bis heute übt das orangefarbene Coupé eine fast mythische Faszination aus – als Symbol für eine Zeit, in der Mercedes mit Mut, Visionen und kompromissloser Ingenieurskunst die Grenzen des Machbaren verschob.

2023 griff Mercedes diese Geschichte wieder auf: Mit dem Vision One-Eleven, einem Elektro-Supersportler, der die Linien des C 111 neu interpretiert, aber die gleiche Botschaft transportiert: Innovation beginnt mit Experimenten.

Schreibe einen Kommentar