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VW Typ 4 – der „Nasenbär“, den fast niemand retten wollte

Wenn heute von Volkswagen die Rede ist, denken die meisten an Ikonen wie den Käfer, den Bulli oder den Golf. Dazwischen gab es jedoch ein Modell, das für viele fast in Vergessenheit geraten ist – und doch ein spannendes Stück VW-Geschichte darstellt: den VW Typ 4, intern als 411 und später 412 bekannt.

Von Matchboxler – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=92570385

Von 1968 bis 1974 gebaut, sollte er die Mittelklasse erobern, war das letzte VW-Modell mit luftgekühltem Heckmotor – und gilt bis heute als Symbol für die schwierigen Übergangsjahre des Konzerns.


Ein Auto zwischen den Welten

Von Bundesarchiv, B 145 Bild-F038791-0004 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5455644

Als der Typ 4 1968 vorgestellt wurde, galt das Konzept schon fast als überholt. Während andere Hersteller längst auf wassergekühlte Frontmotoren setzten, hielt VW an der Käfer-Architektur fest: luftgekühlter Vierzylinder-Boxer im Heck, Antrieb auf die Hinterräder.

Und doch brachte der Typ 4 echte Innovationen:

  • Er war der erste viertürige VW-Pkw,
  • hatte eine selbsttragende Karosserie,
  • MacPherson-Federbeine vorn,
  • und eine erstaunliche Kombination aus zwei Kofferräumen – vorne rund 400 Liter, hinten nochmals 170 Liter.

Auf dem Papier war der Typ 4 also moderner, größer und komfortabler als seine Vorgänger Käfer (Typ 1) und Typ 3. In der Realität aber stieß er auf verhaltene Resonanz.


Design mit Spitznamen: der „Nasenbär“

Das Problem lag weniger in der Technik, sondern im Design. Der lange Vorderwagen, nötig für Kofferraum und Federbeine, führte zu einer Optik, die von Kritikern als „einfallslos“ beschrieben wurde. Schnell bekam der Wagen seinen bis heute bekannten Spitznamen: „Nasenbär“.

VW reagierte 1972 mit einem Facelift. Aus dem VW 411 wurde der VW 412, die Frontpartie wurde gefälliger, die Technik leicht überarbeitet. Doch der Ruf blieb – und die Verkaufszahlen enttäuschten.

Von Matchboxler – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=92582983

Motoren mit Potential

Unter der Heckklappe arbeitete ein völlig neu entwickelter Boxermotor mit 1,7 bis 1,8 Litern Hubraum. Leistungen zwischen 68 und 85 PS machten den Typ 4 für seine Zeit ordentlich flott – bis zu 158 km/h Spitze waren möglich.

Spannend: Dieses Aggregat lebte später weiter. Es fand seinen Weg in den VW Bus T3, in den VW-Porsche 914/4 und sogar in den Porsche 912 E. Ironischerweise wurde also gerade der Motor, den im Typ 4 kaum jemand schätzte, zur Basis für gleich mehrere erfolgreiche Modelle.


Warum der Typ 4 scheiterte

Trotz technischer Fortschritte blieb der Typ 4 ein Nischenmodell. Nur knapp 368.000 Fahrzeuge wurden in sechs Jahren gebaut – für VW eine kleine Stückzahl.

Die Gründe:

  • das veraltete Heckmotor-Konzept,
  • massive Korrosionsprobleme (der eingespritzte Hohlraumschaum wirkte wie ein Feuchtigkeitsspeicher),
  • und der schnelle Wertverlust.

Viele Typ 4 landeten früh auf dem Schrottplatz – nicht selten wurden die starken Motoren ausgebaut und in Käfer oder Bus verpflanzt.


Heute fast ausgestorben

Laut KBA waren Anfang 2019 in Deutschland nur noch 222 Fahrzeuge registriert – darunter 92 Variant, 67 Viertürer und 63 Zweitürer. Ersatzteile sind rar, die Szene klein. Wer heute einen Typ 4 besitzt, kämpft mit schwieriger Teileversorgung und oft mit Rost an allen Ecken.

Und doch: Gerade diese Seltenheit macht den „Nasenbär“ für Liebhaber interessant. Er ist kein Mainstream-Oldtimer wie Käfer oder Bulli, sondern ein Außenseiter – und genau das verleiht ihm Charme.


Der Anfang vom Ende – und ein Neuanfang

Mit dem Produktionsende 1974 endete auch die Ära der großen VW-Pkw mit Heckmotor. Der Nachfolger des Typ 4 hieß Passat B1 – mit Frontmotor, Frontantrieb und wassergekühlter Technik. Es war der Startschuss für die VW-Modellpolitik, die bis heute den Konzern prägt.

Insofern ist der VW Typ 4 mehr als nur ein Flop. Er ist ein Stück Übergangsgeschichte – zwischen Käfer-Tradition und moderner VW-Welt.


Fazit: Ein unterschätztes Kapitel VW-Historie

Von Alexander Migl – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=122500663

Der Typ 4 war nie ein Verkaufsschlager, nie ein Design-Liebling und nie ein Bestseller. Aber er war wichtig: als Versuch, VW in die Mittelklasse zu bringen, als technischer Vorläufer späterer Modelle und als Motoren-Spender für andere Klassiker.

Heute ist er eine echte Rarität – ein „Nasenbär“, den fast niemand retten wollte, der aber für echte VW-Enthusiasten ein besonderes Sammlerstück ist.

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